Aus dem Team, Executive Search, Interview

Gehaltsstrukturen in der Digitalisierung im Public Sector

Sebastian Menzel ist Consultant bei Cyforwards und hat berufsbegleitend seinen Master of Business Administration absolviert. Der Titel seiner Abschlussarbeit lautet „Untersuchung der Gehaltsentwicklungen von IT-Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen im Zuge der deutschen Digitalisierungsstrategie“.

Welche Erkenntnisse er dabei auch für die Executive Search gewonnen hat, erläutert er im Gespräch mit Nicolas Scheidtweiler.

Sebastian Menzel, welchen Kontext hat Deine Untersuchung?

Unsere Ausgangssituation ist im Grunde bekannt: Die öffentliche Hand beschäftigt derzeit rund fünf Millionen Menschen in Deutschland. Bis 2030 werden etwa anderthalb Millionen Beschäftigte in den Ruhestand wechseln.

Ca. 10 Prozent der davon betroffenen Personen arbeiten momentan im IT-Umfeld. Um dem drängenderen Arbeitskräftemangel aber auch den Folgen des demographischen Wandels entgegenwirken zu können, müsste die Digitalisierung insbesondere im Public Sector jedoch massiv vorangetrieben werden.

Wo siehst Du dabei die größten Risiken?

Denn die substanzielle Gefahr liegt klar auf der Hand – reagiert man nicht auf drohende Entwicklungen, werden Verwaltungsdienstleistungen im bisher bekannten Umfang zukünftig nicht länger selbstverständlich sein. Davon ist nicht nur der klassische Behördengang und -alltag betroffen.

Auch die kritische Infrastruktur und dadurch die Resilienz der gesamten Gesellschaft sind im schlimmsten Fall in Gefahr. Verstärkt wird die herrschende Drucksituation durch die geplanten Sparmaßnahmen der derzeitigen Bundesregierung.

Welche Lösungen bieten sich an?

Ein Lösungsansatz zielt darauf ab, den Entwicklungen entgegenzuwirken, indem man den Umsetzungsstand der Verwaltungsdigitalisierung nun massiv vorantreibt.

Dieses Ziel scheint seit vielen Jahren allgemeiner Konsens innerhalb der Branche zu sein und führt dazu, dass unternehmerisches Know-How sukzessive den Weg in die Behörden findet, um dort implementiert zu werden.

Ich fokussiere mich im Rahmen meiner MBA-Abschlussarbeit auf die monetären Auswirkungen dieses Ansatzes. Mein Blick geht auf die Gehaltsentwicklungen innerhalb des privatwirtschaftlichen Digitalisierungsumfelds im Public Sector.

Darunter fallen Systemintegrationshäuser und IT-Dienstleister, große Konzerne und Beratungshäuser aber eben auch kleine und mittelständische Unternehmen.

Das Kernziel besteht darin, die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gehälter der Beschäftigten im privatwirtschaftlichen Digitalisierungsumfeld der öffentlichen Hand zu identifizieren und in eine Relation zu branchenübergreifenden Werten zu setzen. Insbesondere der partiellen Betrachtung der individuellen Einflussfaktoren kommt dabei eine große Aufmerksamkeit zu.

Demographischer Wandel und Fachkräftemangel als Digitalisierungstreiber

Wie hängt das mit Deinen Aufgaben bei Cyforwards zusammen?

Die Cyforwards GmbH versteht sich als integrierte Organisations- und HR-Managementberatung, die sich auf den High Level Executive Search Prozess spezialisiert hat. Genau auf dieser Flugebene haben wir seit vielen Jahren individuelle Entwicklungen begleiten und orchestrieren dürfen.

Der Branchenfokus liegt dabei auf der Public Sector Digitalisierung. Subsumiert werden unter diesem Überbegriff Bereiche wie die Verwaltung sowie die innere und äußere Sicherheit aber eben auch der Gesundheitssektor, die Mobilitätsbranche u.v.m.

Aus dieser Tätigkeit heraus resultieren tiefgreifende Erkenntnisse über die Gehaltsstrukturen der Suchenden und Findenden. Diese Informationsgrundlage ist gleichzeitig als Basis meiner Gehaltsuntersuchung zu verstehen. Mit Blick auf das jeweilige Jahreszielgehalt der „Placements“ der vergangenen Jahre ist eine Fokussierung auf sechs von mir definierte, unabhängige Variablen möglich: Verantwortung, Alter, akademischer Hintergrund, Geschlecht, Region und Branche.

Datenbasis zu Gehaltsunterschieden in der Digitalisierung

Was sind für Dich die wesentlichen Erkenntnisse?

Manche Ergebnisse sind erstaunlich erwartbar, andere Erkenntnisse überraschen wiederum.

Sechs unabhängige Variablen habe ich jeweils isoliert betrachtet, d.h. die aufgezeigten Gehaltsunterschiede sind als bereinigtes Delta zu verstehen und werden von weiteren, externen Einflussfaktoren losgelöst untersucht.

Pay Gaps von IT-Dienstleistungen und -Beratungen im Public Sector

Hinsichtlich der Verantwortung zeigt sich ein klares Bild: Führungskräfte verdienen wesentlich mehr als Fachkräfte. Im Digitalisierungsumfeld der öffentlichen Hand sind es rd. 45.000 Euro, die Beschäftigte mit Führungsverantwortung durchschnittlich mehr verdienen als Fachkräfte.

Dieser hoch-signifikante Wert ist dabei wesentlich geringer, als es der Gehaltsunterschied im bundesweiten Vergleich ist. Denn hier bekommen Führungskräfte rd. 53.000 Euro mehr Gehalt. Dennoch handelt es sich im privatwirtschaftlichen Digitalisierungsumfeld der öffentlichen Hand um den einflussstärksten Faktor hinsichtlich der individuellen Gehaltsentwicklungen.

Welche Rolle spielt das Alter?

Ein zweiter, wesentlicher Faktor für das persönliche Gehaltsniveau lässt sich auf das individuelle Alter und die damit korrelierende Arbeitserfahrung zurückführen. Im Rahmen der Gehaltsuntersuchung stellt sich heraus, dass bei einer Einteilung der Individuen in zwei Altersgruppen die Gruppe mit einem Alter über 40 Jahren rd. 27.000 Euro mehr verdient als unter 40-Jährige.

Bundesweit liegt der Gehaltsunterschied wiederum bei rd. 21.000 Euro und damit unterhalb des beobachteten, hoch-signifikanten Effekts.

Der drittstärkste Einfluss auf das individuelle Gehaltsniveau resultiert aus dem akademischen Hintergrund, den Beschäftigte aufweisen. Erstaunlich ist in dem Zusammenhang, dass der Vergleich zwischen der untersuchten Branche und dem Bundesvergleich zu denselben Ergebnissen führt. In beiden Fällen verdienen Beschäftigte mit einem abgeschlossenen Promotionsstudium rd. 15.000 Euro mehr.

Was ist mit dem berühmten Gender Pay Gap?

Ein weiterer Aspekt, der gesellschaftlich häufig diskutiert wird, spiegelt sich im sog. „Gender Pay Gap“ wider. Die Untersuchungsergebnisse weisen einen Gehaltsunterschied von rd. 12.000 Euro auf, der auf das Konto der Männer geht.

In relativen Zahlen ausgedrückt, entspricht diese Ungleichheit einem Unterschied von rd. 9 Prozent – ein Wert, der sich in der Vergangenheit auch als mittlere Lohnlücke im öffentlichen Dienst aufgetan hat. Doch eklatant wird der Unterschied besonders dann, wenn man den Gehaltsunterschied in Relation zu einem bundesweiten Vergleich setzt. Hier verdienen Männer selbst in jüngster Zeit im Schnitt rd. 19% mehr als Frauen.

Auch regionale Aspekte werden in meiner Untersuchung berücksichtigt. So treffe ich zum Beispiel eine regionale Unterscheidung auf Basis der Wohnorte der einzelnen Individuen.

Mein Interesse zielt insbesondere auf die Gehaltsunterschiede zwischen den „alten“ und den „neuen“ Bundesländern ab. Hier zeigt sich, dass die Standortfrage im privatwirtschaftlichen Digitalisierungsumfeld der öffentlichen Hand weniger drängend zu sein scheint, als es im bundesweiten Vergleich der Fall ist. So verdienen Beschäftigte im Westen Deutschlands nur rd. 2 Prozent mehr, solange sie sich in der betrachteten Branche bewegen. Im Bundesvergleich findet man hingegen häufig durchschnittliche Gehaltsunterschiede von rd. 14 Prozent.

Den kleinsten Effekt auf das individuelle Gehalt hat in meiner Auswertung die Art des Unternehmens. In meiner Unterscheidung zwischen Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen verdienen Beschäftigte im IT-Dienstleistungsumfeld jährlich rd. 1.000 Euro mehr als Beschäftigte im Beratungsumfeld.

Wie bewertest Du die unterschiedlichen Pay Gaps?

Ziel der Untersuchung und meiner Personen ist es nicht, diese Gehaltsunterschiede zu bewerten und daraus normative Ableitungen zu formulieren.

Hinsichtlich der sechs vorliegenden Parameter ist es in einigen Fällen außerdem schwierig bis obsolet eine Aussage darüber zu treffen, inwiefern Individuen einen Einfluss auf bspw. ihr biologisches Geschlecht oder ihr Alter nehmen können, um eine Optimierung eines Jahreszielgehalts hervorzurufen. Auch bei Faktoren, wie der regionalen Zugehörigkeit, dem akademischen Hintergrund und der Verantwortung gibt es berechtigte Zweifel daran, inwiefern sich diese Parameter aktiv beeinflussen lassen oder durch externe Faktoren determiniert sind.

In meiner akademischen Rolle aber auch in meinem beruflichen Alltag muss ich die Ableitung der Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen anderen Entscheidungsträgern überlassen. Aus der betrachtenden Perspektive, die ich dabei einnehmen kann, bleibt jedoch die Frage offen, ob die Herausforderungen der erwähnten Ausgangssituation auf Basis dieser Faktenlage kontrollierbarer werden und den Entwicklungen aktiv entgegenwirken.

Ich persönlich habe große Zweifel daran, dass das Gehalt allein ausschlaggebend sein wird, um den Konsequenzen des demographischen Wandels aber auch dem daraus resultierenden Fachkräftemangel auf Augenhöhe begegnen zu können. Meiner Meinung nach entscheidender wird die Frage nach der intrinsischen Motivation der Beschäftigten im Digitalisierungsumfeld der öffentlichen Hand sein. Dass das Gehalt dabei mehr als nur einen Hygienefaktor darstellen kann, ist jedoch offenkundig.

Wo siehst Du Ansatzpunkte, vermehrt Fachkräfte für die deutsche Digitalisierungsstrategie zu gewinnen?

Auf Basis meiner Ergebnisse sehe ich mehrere Ansatzpunkte. Die intrinsische Motivation der Beschäftigten im Digitalisierungsumfeld der öffentlichen Hand ist von entscheidender Bedeutung. Hier ist es wichtig, eine inspirierende Arbeitskultur zu schaffen, die die Mitarbeiter dazu motiviert, an der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie aktiv teilzunehmen.

Dies kann durch klare Karrierepfade, Entwicklungsmöglichkeiten und die Anerkennung von Leistung erreicht werden. Angesichts der erheblichen Gehaltsunterschiede zwischen Führungskräften und Fachkräften sowie anderen Einflussfaktoren wie dem akademischen Hintergrund, ist es entscheidend, wettbewerbsfähige Vergütungsmodelle zu bieten. Dies kann dazu beitragen, hochqualifizierte Kräfte anzuziehen und zu halten.

Fokussierte Führungskräfteentwicklung: Die Gehaltsunterschiede zwischen Führungskräften und Fachkräften innerhalb der Digitalisierung des öffentlichen Dienstes sind signifikant. Dieser Umstand legt nahe, dass gezielte Anreize und Aufstiegsmöglichkeiten für Fachkräfte geschaffen werden sollten, um sie in Führungspositionen zu begleiten.

Förderung des lebenslangen Lernens: Angesichts des intuitiven Einflusses der Arbeitserfahrung auf die Gehaltsentwicklung sollten insbesondere ältere Fachkräfte dadurch motiviert werden, neue digitale Fähigkeiten zu erlernen und Wissen weiterzugeben. Gleichzeitig gilt die Prämisse, dass Alter allein kein ausschlaggebendes Kriterium für Erfolg und dadurch für erfolgsabhängige Vergütung sein kann.

Geschlechtergerechtigkeit: Um den Gender Pay Gap zu verringern, sollte die bedürfnisorientierte Gleichstellung der Geschlechter im Digitalisierungsbereich der öffentlichen Hand und darüber hinaus kontinuierlich verstärkt werden. Viele Stimmen innerhalb des gesellschaftlichen Diskurses weisen bereits den richtigen Weg.

Holistische Ansätze stärken: Die Tatsache, dass Beschäftigte mit herausragenden Abschlüssen gleichzeitig höhere Gehälter verdienen, legt nahe, dass die Förderung der (akademischen) Ausbildung und Forschung im Bereich der Digitalisierung höchste Relevanz aufweist. Insbesondere der ganzheitliche Blick über alle vorhandenen Grenzen hinweg und auf holistische Gesamtzusammenhänge ist aus vielen Elfenbeintürmen häufig noch nicht gegeben.

Insgesamt sollten die Anstrengungen darauf abzielen, eine attraktive und wettbewerbsfähige Arbeitsumgebung im Bereich der öffentlichen Digitalisierung zu schaffen. Dies würde dazu beitragen, die besten Talente anzulocken und zu halten, was wiederum die Umsetzung der deutschen Digitalisierungsstrategie effektiver unterstützen würde.

Sebastian, ich danke Dir herzlich für unser Gespräch.


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Über Cyforwards:
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Bild: eigenes