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Digitalisierung in Deutschland: Qualität und Innovation, Peter Batt im Interview

Die Bundesrepublik Deutschland investiert zunehmend in die Digitalisierung. Das erfordert Veränderungen bei Struktur und Prozessen. Aber welche genau?

Wir haben mit Peter Batt, Ministerialdirektor a.D., gesprochen. Er hat klare Forderungen an die Behörden und das bestehende Personal. Zum Schluss bietet er ein paar Tipps für die Karriere in der IT.

Der Volljurist war seit 1991 für die Deutsche Rentenversicherung Bund tätig, wo er eine Ausbildung zum IT-Organisator und -Programmierer absolvierte. Von 2003 bis 2009 leitete er dort die Abteilung Organisation und IT-Services.

Anschließend wechselte er in das  Bundesministerium des Innern, wo er zuletzt Leiter der Abteilung „Digitale Gesellschaft und Informationstechnik“ und zugleich Ressort-CIO war.

Er ist u.a. Mitglied im Kuratorium von Fraunhofer Fokus, Beirat im Arbeitskreis Software-Qualität und -Fortbildung e.V. (ASQF) und im Präsidialausschuss Focus.ICT beim DIN.


Herr Batt, wo steht Deutschland in Fragen der Digitalisierung?

Nicht so schlecht, wie manche meinen. Automatisierte Datenverarbeitung gibt es in Deutschland immerhin seit Mitte der 1950er Jahre und für Industrie 4.0 sind wir eigentlich auch heute noch gut aufgestellt.

Aber gut reicht nicht – wir müssen besser und schneller werden. Die Wirtschaft und der Staat müssen mehr in Innovation investieren. Das fängt mit dem erbärmlich rückständigen Ausbau unserer Breitband-Infrastrukturen an. Und in der Pandemie ist klar geworden, wie sehr wir gerade das Bildungswesen vernachlässigt haben – bei der Ausstattung der Schulen und auch der Qualifizierung der Lehrkräfte.

Da das hohe Qualifizierungsniveau in Deutschland immer ein großer Standortvorteil war, drohen uns hier langfristig große Wettbewerbsnachteile. Wir müssen weiterhin viel entschiedener an der Überwindung der „digital gaps“ arbeiten – also der Kluft, die es bei der Digitalisierung u.a. zwischen Männern und Frauen, Jüngeren und Älteren und Stadt- und Landbevölkerung gibt.

Ein wenig Kosmetik wie die Veranstaltung eines „Girls Day“ einmal im Jahr reicht da einfach nicht.

Vor welchen Herausforderungen steht die digitale Verwaltung?

Auch die digitale Verwaltung ist besser als ihr Ruf. Immerhin konnte ich in meiner Heimatstadt Düsseldorf schon vor 35 Jahren online über BTX Karten für das Schauspielhaus bestellen. Aber an dem Beispiel zeigt sich zugleich die Schwierigkeit: BTX konnte man schon ein paar Jahre später wieder wegwerfen.

Auch die öffentliche Hand muss also „dranbleiben“, d.h. Betriebsstrukturen aufbauen, permanent investieren und Innovation betreiben.

Denn der öffentliche Dienst schuldet den Bürgerinnen und Bürgern bestmöglichen Service. Dafür braucht es veränderungsbereite Menschen, flexiblere Strukturen und Mut zu Neuerungen, die sich eventuell auch einmal nicht rechnen.

Zugleich kann die Verwaltung natürlich nicht mal eben Steuergelder ausgeben, nur um an der Spitze der Innovation zu stehen: Die Software, die meine Rente berechnet, muss das absolut zuverlässig leisten können. Da ist kein Raum für Qualitätseinbußen, nur um im Wettrennen mit anderen Hipster Nummer Eins zu sein und die coolste Bedienungsoberfläche von allen zu haben.

Welche Anforderungen ergeben sich daraus für das Personal in den Behörden?

Der eben geschilderte Spagat zwischen der den Bürgern geschuldeten Verlässlichkeit einerseits und größerer Leistungsstärke durch Veränderung und Innovation andererseits erfordert hochqualifiziertes Personal.

Wichtiger als je zuvor sind für die Beschäftigten Metakompetenzen. Dazu gehören Methodenkompetenzen, insbesondere in Organisation und Management von Prozessen. Aber auch die Selbstmanagementfähigkeiten.

Dazu gehört weiterhin Sozialkompetenz im Sinne von Kommunikations- und Koordinationsfähigkeiten. Denn Veränderungen darf man sich nicht nur „stellen“.

Man muss sie vielmehr aktiv selbst betreiben – und sie vermitteln können. Übergreifende Projektarbeit wird eine immer wichtigere Rolle spielen. Erfolgskritisch ist bei alldem das Gespräch, die Abstimmung mit anderen Menschen, die Wertschätzung anderer Qualifikation und Standpunkte sowie die Bereitschaft, permanent dazuzulernen.

Und: Verantwortung zu übernehmen. Wer sich auf Formalismen und Regularien zurückziehen muss, um den Sinn von Entscheidungen zu begründen, begründet in Wahrheit nichts und entzieht sich der Verantwortung. Die Verwaltung der Zukunft ist besser; sie trägt offensiv Verantwortung – für das Gemeinwesen und für jede/n Bürger/in.

Welche Rolle spielen dabei externe Dienstleister für die Bereitstellung von Know-how?

Eine große Rolle. In Deutschland gibt es keine Tradition, zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft hin und her zu wechseln. Das hat aber auch seine Gründe: So gewinnt die Verwaltung z.B. Stabilität und große Erfahrung. Das ist gut und richtig.

Umso dringender brauchen wir aber ein geändertes Verständnis für das Zusammenspiel der Verwaltung mit externen Dienstleistern. Externes Know-How ist gerade für Erneuerungsprojekte eine unverzichtbare Ressource, die systematisch zu nutzen ist.

Dazu gehört einerseits der permanente Transfer von frischem Wissen, gewissermaßen eine „Wissensinfusion“ für die Verwaltung. Andererseits gehört dazu, dass wir wechselseitig z.B. Hospitationen ermöglichen, welche das gegenseitige Verständnis vertiefen.

Eine weitere wichtige Rolle kommt externen Dienstleistern im übrigen zu, wenn es um Geschwindigkeit geht. Bevor eine Stelle im öffentlichen Dienst besetzt ist, dauert es schnell einmal über ein dreiviertel Jahr. Das ist das Gegenteil von agil und flexibel.

Für wirklich dringende und wichtige Projekte benötigen wir deshalb immer häufiger sehr zeitnahe externe Hilfe.

Welche konkreten Tipps haben Sie für junge Menschen, die Teil des Prozesses der Digitalisierung sein wollen?

Die Verwaltung in Deutschland und die Arbeit an ihrer Zukunftsfähigkeit bieten eine ungeheure Breite an Einsatzmöglichkeiten.

Es ist zugleich wie in der Wirtschaft oder generell im Leben: „Jeder Jeck is anders“ sagt der Rheinländer.

So ist das auch bei der öffentlichen Hand. Es muss nicht jeder Mensch zu jeder Verwaltung passen.

Also erstens: Nicht bei der ersten Enttäuschung abschrecken lassen!

Zweitens: Fragen Sie in Interviews konkret nach – welche wichtigen Projekte laufen gerade oder stehen an? Ganz wichtig: Wie ist der Personaleinsatz dabei organisiert? Wie interdisziplinär sind Projektteams zusammengestellt? Welche Chancen hätten Sie als „Newcomer“ dabei?

Drittens: Welche Qualifikationsangebote gibt es konkret? Lassen Sie sich nicht mit pauschalen Aussagen wie „Wir haben ein Personalentwicklungskonzept“ abspeisen. Das ist zwar schön, aber Sie sollten sich aus den Schilderungen heraus plastisch vorstellen können, wie konkret und entschlossen Veränderungsprozesse betrieben werden und wo Ihr Platz dabei sein kann.

Herr Batt, vielen Dank für das Interview. 

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Bild: © FhG Fokus

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