Healthcare

Telemedizin als Lösung für die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum?

In der Öffentlichen Gesundheitsvorsorge in Deutschland herrschen große Unterschiede in der Versorgung zwischen städtischen und ländlich geprägten Räumen. Vor allem bei ambulanten Angeboten gibt es auf dem Land aufgrund des Fachkräftemangels oft zu wenig Arbeitskräfte. Gleichzeitig steigt dort der Bedarf an ambulanter Versorgung – ein Mittel zur Abhilfe könnte die verstärkte Nutzung von Telemedizin sein.

Die medizinische Versorgungslücke im ländlichen Raum wird aller Voraussicht nach in Zukunft noch weiter wachsen, da viele ältere Landärzt*innen in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Und es gibt keinen entsprechenden Nachwuchs.

Gleichzeitig verändert sich die Zusammensetzung der ländlichen Bevölkerung: Junge Menschen ziehen in die Ballungsräume und Metropolen oder gleich ins Ausland. In den Dörfern bleiben dann – zugespitzt formuliert – nur noch alte, arme und kranke Menschen zurück.

In der Konsequenz wird trotz vielseitiger gesetzlicher Förderinitiativen zukünftig nicht mehr überall in Deutschland jede gesundheitliche Versorgungsleitung vollumfänglich angeboten werden können.

Ein Lösungsansatz, um weiterhin eine bestmögliche medizinische Versorgung sicherzustellen, ist die Verzahnung von hochwertiger Primärversorgung in Wohnortnähe mit regionalen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und der Nutzung von Telemedizin für kompliziertere Fragen, die eine fachärztliche Antwort benötigen.

Telemedizin für (fast) alle Fälle

Telemedizin umfasst ein breites Spektrum von Anwendungen zur Erbringung von medizinischen Dienstleistungen aus der Ferne. Dazu gehören vornehmlich Videosprechstunden zwischen Ärzt*innen und Patient, beispielsweise mit dem Hausarzt oder behandelnden Fachärzt*innen.

Viel genutzt werden auch Telekonsile für den innerärztlichen Austausch sowie das Telemonitoring für die kontinuierliche Überwachung von Gesundheitsdaten, z. B. bei Herz-Patienten mit einem implantierten Herzschrittmacher.

Über diese klassischen, telemedizinischen Einsatzfelder hinaus können heute auch psychotherapeutische Behandlungen in akuten Fällen durchgeführt oder Videokonferenzen zur Unterstützung von Notärzt*innen im Einsatz bei besonderen Verletzungen genutzt werden. Auch in Zukunft werden die Anwendungsmöglichkeiten von Telemedizin weiter ausgebaut und auf weitere Teilnehmer*innen des Gesundheitswesens wie beispielsweise Apotheken erweitert.

Kann die Telemedizin also den Versorgungsengpass auf dem Land auffangen oder wenigstens etwas lindern? Leider ist es nicht so einfach.

Mensch und Technik finden nur mühsam zueinander

Drei grundlegende Stolpersteine stehen in Deutschland einer noch stärkeren Nutzung von telemedizinischen Angeboten entgegen: Das hohe Datenschutzniveau, eine oftmals schlecht nutzbare E-Health-Software sowie eine mangelhafte Internet-Breitbandversorgung im ländlichen Raum.

Im Bereich des Datenschutzes ist es zunächst grundsätzlich begrüßenswert, dass sich das deutsche Gesundheitswesen durch ein besonders hohes Schutzniveau auszeichnet. Teilweise kann der Datenschutz jedoch einer verstärkten Nutzung telemedizinischer Angebote in der Praxis entgegenstehen. Das zeigt sich beispielsweise bei der elektronischen Patientenakte (Cyforwards berichtete).

Zum Teil sind auch  grundlegende Infrastrukturfragen weiterhin ungeklärt. So sind z. B. die digitalen Übertragungswege von Patientendaten zwischen Krankenhäusern, niedergelassener Ärzteschaft und Apotheken weiterhin nicht vereinheitlicht.

Akzeptanzproblem der Telemedizin

Die telemedizinische Software leidet oft an mehreren Stellen an Akzeptanzproblemen. Krankenkassen und Ärzteschaft müssen bei der Datenübertragung und Datennutzung Sicherheit und Nutzbarkeit immer neu miteinander abwägen. Das führt oft zu einem Entscheidungsstillstand im Softwareentwicklungsprozess.

Viele Patienten fühlen sich zu spät in die Entwicklung einer Software einbezogen und haben dann Schwierigkeiten, die neuen Angebote zu nutzen und zu akzeptieren. Auch die Ärzt*innen und das weitere medizinische Personal vermissen oftmals wichtige Software-Funktionen für ihre tägliche Arbeit.

Hier müssen die Softwareentwickler*innen stärker auf die Bedürfnisse der Nutzer eingehen.

Internetgeschwindigkeit in Deutschland nur unterdurchschnittlich

Zum Dritten sieht es auch mit der Geschwindigkeit der Internetanbindung auf dem Land in Deutschland weiterhin nicht gut aus. Vor allem beim Ausbau der Anbindung über leistungsstarke Glasfaser-Anschlüsse liegt die Republik zurück. So laufen nach Informationen der OECD hierzulande nur 7,1 Prozent der Breitbandanschlüsse über Glasfaser (Stand Dezember 2021).

Im OECD-Durchschnitt sind es 34,9 Prozent. Das liegt unter anderem auch daran, dass immer noch zu viele alte Kupferkabel weitergenutzt werden, anstatt endlich neue Anschlüsse in den Boden zu legen. Eine schnelle Internetanbindung ist jedoch für die professionelle Nutzung der Telemedizin schlicht unerlässlich.

Am Ende fehlt Personal für die Digitalisierung

Der Ausbau der Telemedizin ist eine große Herausforderung: Datenschutzbedenken müssen geklärt sein, Software anwenderfreundlich entwickelt werden, und die Anbindung ans Netz muss ausreichend schnell sein – und das alles am besten gleichzeitig. Es gibt innovative Ansätze in anderen Ländern, die sich in Teilen übertragen lassen. 

Dabei gibt es für alle diese Aufgaben schon jetzt zu wenig qualifiziertes Personal, gerade mit einschlägigen IT-Qualifikationen und in Fragen der Digitalisierung. Deutschland ist auch in diesem Sektor gefordert, mehr qualifizierte Zuwanderung zu fördern und die Ausbildung zu beschleunigen. 


Über Cyforwards:
Die Cyforwards GmbH bietet eine integrierte Personalberatung in den Themenschwerpunkten Executive Search und People & Organizational Development. Sie besetzt Führungs- und Fachpositionen überwiegend in der IT-Managementberatung. Der Fokus liegt auf den Branchen Public Sector & GovernmentTransportation & Mobility sowie Healthcare. Als Transformationsberater und -begleiter unterstützt Cyforwards Individuen und Organisationen, ihre Ziele zu erreichen und Potenziale zu entfalten. Benjamin Wittekind gründete das Unternehmen 2018 in München. 

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